ANC Over-Ear Anwenderbericht: Sony WH-1000XM5 vs WH-1000XM4 vs Sennheiser Momentum 4

Dies ist kein vollständiger Test, sondern nur eine Sammlung von Punkten, die mir beim Vergleichen der drei Kopfhörer aufgefallen sind und die ich z.T. so nicht auf den großen Testseiten gefunden habe. Ich wollte die Saison der Angebote (geschenkte MwSt usw.) nutzen, um ein Upgrade für meinen Sony WH-1000XM4 zu kaufen. Zur Auswahl standen der Nachfolger WH-1000XM5 und der Sennheiser Momentum 4.

Verpackung

Sony hebt aktuell Ihre umweltfreundlicheren Verpackungen aus Pappe, ohne Kunststoff hervor. Das ist sehr löblich, allerdings wird auch der Sennheiser in einem Karton ohne Kunststoff geliefert.

Unentschieden

Konstruktion, Verarbeitungsqualität und Anmutung

Der XM4 lässt sich zwar am kleinsten zusammenfalten, weil ein Ohrhörer nicht nur dreh- schon auch klappbar ist. Dafür hat Sony aber mit der gesamten WH-1000 Serie bis dahin Probleme mit Knarzen im Gelenk. Während das im Sitzen nicht auffällt, ist es bei vielen Exemplaren schon beim Spazierengehen störend, vom Laufen gar nicht zu reden. Eine Suche nach WH-1000XM3 knarzen/squeaking bringt reichlich Treffer, auch auf überwiegend gescheiterte Reparaturversuche. Mein Exemplar war auch davon betroffen, weshalb ich dann irgendwann auf den XM4 gewechselt habe. Leider ist auch mein XM4 davon betroffen, wenngleich nicht ganz so schlimm. Dies sichert dem XM4 hier aber den letzten Platz. 

Möglicherweise sind diese Probleme auch der Grund, warum Sony für den XM5 die Bauform geändert hat. Beim XM5 gibt es auch bei wilden Bewegungen keine knarz-Geräusche mehr. Diese gibt es auch nicht beim Momentum 4. Nach Generationen von Sony WH1000er, an deren Farben ich mich gewöhnt hatte, wirkt der Momentum in beige etwas billig. Der sehr helle Kunststoff wirkt eher wie ein Kinderspielzeug, das leicht angeraute Beige/Grau der Sonys macht auf mich einen wertigeren Eindruck. Und, ohne dies durch einen Belastungstest nachweisen zu können, wirkt die Konstruktion des Gelenks beim Momentum etwas filigran. Das muss allerdings überhaupt nicht so sein, aber insgesamt wirkt der XM5 am wertigsten. Das ist am Ende aber Geschmacksache. 

1. WH-1000XM5 & Momentum 4, 2. WH-1000XM4

Transport

Durch den Verzicht auf den Klappmechanismus benötigt der XM5 dafür mehr Platz beim Transport. Der XM4 klappt am kleinsten zusammen, knarzt aber dafür. Der Momentum 4 liegt vom Platzbedarf in der Mitte.

1. WH-1000XM4, 2 Momentum 4, 3. WH-1000XM5

Tragekomfort

Wieder ein total subjektiver Punkt. Am bequemsten empfinde ich den Momentum 4, gefolgt vom WH-1000XM4. Der WH-1000XM5 ist beileibe nicht unbequem. Aber mit den harten Ohrpolstern und dem dünnen Bügel kommt er für mich nicht an die anderen beiden heran.

1. Momentum 4, 2. WH-1000XM4, 3. WH-1000XM5

ANC

Die Sony's sind hier immer klassenführend, aber Sennheiser hat stark aufgeholt. Tatsächlich sind die Unterschiede hier wohl messbarer als hörbarer. Der WH-1000XM5 liegt hier vorne, aber der Vorsprung wäre für mich nicht kaufentscheidend. Auch beim Transparenzmodus sehe ich den WH-1000XM5 vorne. Dahinter wird es schon Geschmacksache. Ich fand den Klang im Transparenzmodus beim Momentum 4 besser als beim WH-1000XM4, dafür rauscht der Sennheiser aber auch etwas im Transparenzmodus. Ich persönlich fand den Transparenzmodus beim Sennheiser angenehmer, aber wen das Rauschen stört greift eher zu einem der Sony's. Der zweite Platz ist unentschieden.

1. WH-1000XM5, 2. Momentum 4 & WH-1000XM4

Bedienung

Hier gibt es mittlerweile wenig Unterschiede, da Sennheiser sich offensichtlich die Bedienung der Sony's zum Vorbild genommen hat. Weil der Momentum 4 aber einen Knopf weniger hat, wird das Durchschalten der Transparenzmodi auf einen Doppelklick auf das Touchpad am rechten Ohrhörer gelegt. Und dort kann man mit Doppelklick zwischen Transparenzmodus und ANC umschalten, per Zoom-Geste auch auf Stufen dazwischen. Ganz abschalten lässt es sich aber, im Gegensatz zu Sony, nicht. Daher ein leichter Vorteil für die Sony's.

1. WH-1000XM4 & WH-1000XM5, 2. Momentum 4

Telefonie

Ein sehr unwissenschaftlicher Vergleich: ich habe mit allen dreien meinen Festnetzanschluss angerufen und auf den Anrufbeantworter meiner Fritzbox gesprochen. Die Aufnahmen habe ich dann über das Web-Interface heruntergeladen und mit dem Momentum angehört. Die WH-1000XM5 sind hier die Gewinner und wahrscheinlich auch die Klassenbesten. Im Direktvergleich ist die Sprachverständlichkeit des Vormodells etwas dumpfer. Die Sennheiser schieben sich dazwischen.

1. WH-1000XM5, 2. Momentum 4, 3. WH-1000XM4

Klang

Vielleicht für viele die wichtigste Disziplin. Zunächst einmal sind alle drei Kopfhörer klanglich sehr gut, sie gehören sicherlich zu den besten in der Preisklasse bis 400,- €.  Wichtig ist aber, zunächst dafür zu sorgen, dass bei den Sony's LDAC aktiv ist. Das bemerkte ich, als mir auffiel wie viel schlechter die Kanaltrennung bei den WH-1000XM5 im Vergleich war. Das ist  gerne mal ein Zeichen dafür, dass gerade ein schwächerer CoDec am Werk ist.

Während die Sennheiser bei meinem Galaxy S20 und auch beim S8 automatisch AptX nutzen, musste LDAC erst konfiguriert werden. Ein bisschen Recherche ergab: es hilft, die Anwendung Music Center von Sony zu installieren. Dann ließ sich bei den Sony's LDAC problemlos aktivieren.

Das folgende ist auch stark Geschmacksache. Aber für mich liegen die Momentum 4 hier eindeutig vorne. Im Direktvergleich fällt erst auf, wie stark Sony in den Klang eingreift. Das lässt sich auch nicht vollständig über den EQ lösen. Es ist nicht nur eine Frage, wie stark bestimmte Frequenzen verstärkt oder abgeschwächt werden. Der Klang der Sony's ist etwas schärfer, Bässe und Höhen werden etwas härter. Das macht den Klang etwas beeindruckender, aber für mich auch weniger natürlich. Auffällig ist das zum Beispiel am Anfang von Great Southern Land von Icehouse, wo nach 15 Sekunden der Bass einsetzt. Die Sony's bauen da eine Schärfe ein, während der Bass beim Sennheiser weicher und natürlicher einsetzt. Auch mit lange ausschwingenden Bass-Saiten können die Sony's weniger anfangen, wie bei Hands Up von 2 PM. Dort schwingt fast permanent ein - vermutlich künstlicher - Bass, der auf dem Sennheiser weicher, aber auch natürlicher wirkt. Einen ähnlichen Effekt gibt es bei den Höhen, allerdings mit unterschiedlichem Ergebnis. Bei Diana Kralls I Love beeing here with you vom Live in Paris Album wird das Piano um Minute zwei schon so überspitzt, dass ich es bei den Sony's als unangenehm schrill empfand. Bei Old Country von Tierney Sutton ging hingegen die Gesangstimme beim Momentum 4 etwas unter,  während sie bei den Sony's sich luftiger aus den Instrumenten hervorhob. Schade ist nur, dass man bei den Sony's diesen Effekt nicht abschalten kann.

Insgesamt muss man hier aber auch die Kirche im Dorf lassen. Alle drei gehören sicherlich in die Spitzengruppe der ANC/Bluetooth-Kopfhörer bis 400,- €. Speziell zwischen den beiden Sony's fallen die Unterschiede nur im direkten A/B-Vergleich auf. Der Sennheiser hebt sich  eher von beiden ab, ich würde ihn klanglich schon eine Klasse höher als die Sony's einordnen. Aber das hängt auch vom Anwendungsfall ab. Wer elektronische Musik mit möglichst hartem Bass hören möchte, ist bei den Sony's besser aufgehoben. Hörer von Jazz oder Classic Rock sollten eher den Sennheiser bevorzugen.

1. Momentum 4, 2. WH-1000XM5, 3. WH-1000XM4

Fazit

Nun reden wir hier nicht über audiophile Kopfhörer, sondern über Alleskönner. Sie sollen im Großraumbüro für Ruhe und auch in der Videokonferenz für guten Ton in beide Richtungen sorgen. Auf Reisen mit Zug oder Flugzeug soll der Medienkonsum möglichst ohne störende Geräusche stattfinden, aber auch ein Transparenzmodus wird erwartet um kurz mit jemanden zu reden. Und beim entspannten Musikhören in ruhiger Umgebung wird sehr guter Klang erwartet. Die Funktionsvielfalt soll über eine möglichst einfache Bedienung gebändigt werden. Und bei Nichtbenutzung soll möglichst wenig Platz im Gepäck verbraucht werden. Bei einer so langen Wunschliste versteht es sich fast von selbst, das keiner der Kandidaten in jeder Hinsicht perfekt ist.

Zum Glück sind alle drei sehr gute Kopfhörer in ihrer Klasse und mit keinem wird man unglücklich werden. Sowohl klanglich, als auch beim ANC, erscheinen mir die Unterschiede nicht so groß, wie einige Testseiten schreiben. Es geht hier doch eher um Nuancen, deswegen gibt es hier auch keinen Verlierer. 

Wer auf den besten, nicht den effektvollsten, Klang in dieser Gruppe Wert legt, greift zum Momentum 4, muss aber leichte Abstriche beim ANC und der Bedienung machen. Preislich, bei der Telefonqualität und vom Packmaß liegt er in der Mitte.

Wer den besten Alleskönner möchte, wenn auch nicht den am besten klingenden, greift zum WH-1000XM5. Dieser ist aber auch der teuerste mit der größten Transportbox.

Und wem die geringen Unterschiede egal sind, nimmt den WH-1000XM4 und spart ordentlich Geld mit dem Vormodell. Wirklich nicht zu empfehlen ist er nur für alle, die ihn bei Spazierengehen, Walken oder auch Laufen nutzen wollen. Das geknarze kann hier schon störend sein, dafür bekommt man aber auch das geringste Packmaß.

Würde ich mir jetzt einen neuen Kopfhörer kaufen, würde meine Wahl auf den Sennheiser Momentum 4 fallen. Er klingt so gut, dass es Spaß macht, alte und bekannte Stücke wieder neu zu entdecken und dafür bin ich bereit, die leichten Abstriche in kauf zu nehmen. Nun habe ich aber schon den WH-1000XM4 und am Ende sind die Unterschiede dann doch nicht so groß, dass sich aus meiner Sicht eine Neuinvestition lohnen würde. Deshalb behalte ich den WH-1000XM4 noch einige Zeit und warte mal ab, was die nächste Generation so bringen wird.

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